Das erste Mal…

Das erste Mal…

…alleine campen fahren.
…alleine mit dem Wohnmobil unterwegs sein.
…in einen Stau geraten.
…auf die Keile auffahren.
…alleine das Vorzelt aufbauen.
…alleine die Gasflasche wechseln.
…alleine das Klo entleeren.
alleine im regen heimfahren…

Alleine. Nein, meine Tochter war ja mit. Trotzdem. So viele Erinnerungen, Traditionen, Rituale, gemeinsame Zeit… alles weg.

Man könnte sich jetzt fragen, warum ich das dann mache, wenn es so furchtbar ist. Weil es nicht furchtbar ist. Ich liebe Campen, ich mag es, wenn es regnet und der Regen aufs Womo-Dach prasselt. Ich mag es früh morgens alleine im Vorzelt zu sitzen, den Vögeln beim Aufwachen lauschen und viel Zeit zum Handarbeiten zu haben.

Es stand für mich nie zur Debatte das Campen aufzugeben und unser “Schneckihaus” zu verkaufen. Ein Teil meines alten Lebens, den ich mir zurückerobern musste. Als Eroberer(in???) muss man seine Komfortzone verlassen, anders gehts nicht. Nun hab ich mir die gerade erst mühsam wieder aufgebaut, vielleicht hätt ich sie sollen erst nächstes Jahr verlassen. Nein!

Denn dann wär ich nie wieder gefahren. Zu groß war die Angst vor den Emotionen, den Erinnerungen und ob ich all die nötigen Handgriffe schaffen würde. Ich wusste, je mehr Platz ich der Phantasie lassen würde, desto schwieriger würde es werden.

„Ich könnte das nicht“, war einer der oft gehörten Sätze. Nun, ich verrat euch was: Ich konnte das auch nicht, ich habs einfach gemacht.

Und nun? Der Urlaub ist zu real für einen Traum und zu surreal für die Realität.

Ich bin hier und hab keine Ahnung, wie ich herkam. Richi fehlt (allein schon beim Frühstück machen oder Geschirr abwaschen) an jedem Eck. Rund um mich machen verliebte Paare Urlaub, ich sitz allein im Vorzelt.

Aber: ich steh auf, wann ich will. Ich erledige (Haus)Arbeiten, wann ich Lust hab. Ich lese, sticke und stricke, ohne jemanden bespaßen zu müssen oder auf die Uhr zu schauen. Ich leg mich hin, wenn ich müde bin – ohne schlechtes Gewissen, jemand anderem die Arbeit zu überlassen. Ich genieße die Ruhe, die Landschaft (und hier gibts nur Gegend, sonst nix) und die Entspannung.

Schlimm sind nicht…

…die Ehepaare (mit Kinder), die hier ihren Urlaub verbringen und mir aufzeigen, dass ich alleine bin, schlimm sind die alten Ehepaare, die mir eine Zukunft zeigen, die ich nie haben werde. Das andere hatte ich eh – und ich wage mal frech zu behaupten: besser als die anderen rund um mich. Aber die Paare, die seit Ewigkeiten zusammen sind und nun ihren Lebensabend genießen – so richtig mit Mittagessen um 12:00 am Campingtisch (Schnitzel mit Erdäpfelsalat natürlich), Spaziergängen und gemeinsamen Gegend betrachten – all das blieb mir verwehrt.

Das war hart und das hatte ich auch nicht bedacht, als ich diesen Campingplatz wählte als erstes Reiseziel. Ich wollte unbedingt nach Bad Waltersdorf zu meiner “Wahl-Camperfamilie”, dort fühl ich mich geborgen und gut aufgehoben, falls doch was nicht alleine funktioniert. Immer war jemand da zum helfen oder Reden, die Betreiber kannten Richi und fühlten mit mir. Keine Anonymität, nur Vertrautheit. Das war mir wichtig für die erste Feuerprobe.

Und was soll ich sagen: der Urlaub war gut. Was man halt “gut” nennt, wenn man als Überraschungswitwe aus dem Jahr 2020 hervorgeht. Ich hab viel gehandarbeitet, war viel spazieren, hab noch mehr geschlafen und die Ruhe und den Regen am Dach genossen. Klar kullerten immer wieder Erinnerungen aus den Augen – aber diesen Emotionen hab ich mich bewusst gestellt. Nur wenn man sie durchlebt, kann man sie ins neue Leben integrieren. Sonst ist es nur Verdrängung.

Der nächste Urlaub ist gebucht und beim 2. Mal wird es noch besser. Und dann noch ein bisschen mehr. Es wird nie wieder G U T, aber jedesmal besser als beim letzten Mal ist gut genug.

Frieden

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